Monat: April 2020

Blog für den Notstand und danach

Dr. Franca Siegfried, Präsidentin von impressum

Öffentlich denken, berichten, kritisieren, anregen, motivieren… impressum will Kolleginnen und Kollegen zu Wort kommen lassen in einem Blog. Mit dem Blog «Null» macht sich impressum-Präsidentin Dr. Franca Siegfried Sorgen um fundierte Recherchen in wissenschaftsbasierten Themen. Berichte über Covid-19 ist das aktuellste Beispiel. Wer sich darüber ein Bild machen will, der kann sich bei den Medienkonferenzen des Bundes vergewissern – uns fehlt ein wissenschaftsjournalistisches Korrektiv.

Wie informiert sich die Wissensgesellschaft über Covid-19?
Täglich hört sich die Schweiz Meldungen über die neusten Fallzahlen an, beobachtet sogar im Fernsehen die Medienkonferenzen des Bundes, studiert Zeitungen – gedruckt oder digital und scrollt sich durch interaktive Grafiken. Unsere demokratische Wissensgesellschaft sucht nach ultimativen Informationen über das Coronavirus.

Wo bleibt das wissenschaftsjournalistische Korrektiv?
Die Exekutive, der Bundesrat, entscheidet über existentielle Massnahmen. Die Legislative macht sich dünn, ist teilweise abgetaucht. Und unsere Branche leidet seit Mitte März an dramatischen Werbeeinbussen. Und Medienschaffende sind in die Kurzarbeit verbannt worden – eine Massnahme vom Bundesrat. Kurzum, zur Rettung von Arbeitsplätzen ist es vielen Journalistinnen und Journalisten verboten zu recherchieren, schreiben und informieren. Wer kümmert sich jetzt um kritisches Hinterfragen, Abwägen, Vergleichen von Daten und Meldungen?

Was ist los mit dem Wissenschaftsjournalismus?
Nur fünf Tage vor der Ausrufung des nationalen Notstandes hat Urs Hafner, Journalist und Historiker eine Studie als Diskussionsvorlage für eine zukunftsgerichtete Wissenschaftskommunikation publiziert. Der Titel von Hafners Studie: «Forschung in der Filterblase» (HIER UND JETZT Verlag). Während beispielsweise in der Westschweiz die ETH Lausanne knapp zwei Dutzend Vollzeitstellen in der Kommunikationsabteilung beschäftigt, sei die Spezies im Wissenschaftsjournalismus in der Romandie am Aussterben. Hafners Fazit: Die Selbstanpreisung Schweizer Hochschulen kommt ungefiltert in die Medien.
https://www.hierundjetzt.ch/de/catalogue/forschung-in-der-filterblase_20000002/

Keine Medienförderung ohne Wissensredaktion…
Die Förderung von bestens ausgebildeten und unabhängigen Journalistinnen und Journalisten ist existentiell für eine demokratische Wissensgesellschaft. Ein Hoffnungsschimmer bleibt – der offensichtliche Notstand im Wissenschaftsjournalismus könnte durch Covid-19 neu belebt werden. Eine Lösung? Finanzielle Hilfe an die Medien ist nicht nur an Informations-Vielfalt, sondern auch an eine ausgewiesene Wissensredaktion gebunden.

Spargelstechen statt recherchieren…
Jetzt dürfen Medienschaffende in Kurzarbeit Bauern helfen auf dem Feld Spargel zu stechen – eine weitere Massnahme des Bundes. Wird das Phallussymbol Spargel zum Notstandssymbol vom wissensbasiertem Journalismus?


Die Welt steht Kopf, impressum fest auf dem Boden. Und Sie?

Wie erleben Sie die Corona-Zeit? Bei impressum laufen die Leitungen heiss, denn die Verunsicherung bei den Mitgliedern ist riesig. Doch dies ist Ihre Plattform: Haben Sie keine Aufträge mehr oder raucht Ihnen der Kopf? Sind Sie unterwegs, um auch ohne Auftrag diese Jahrhundertsituation zu dokumentieren – oder bilden Sie sich weiter? Erzählen Sie…

Schicken Sie Ihre Beiträge an info@impressum.ch. Wir danken Ihnen!

Noch vor wenigen Wochen verfolgten wir staunend, wie Italien Ortschaften abgeriegelte und der Bahnhof von Mailand auch ohne Ausgangssperren so leergefegt war, dass man in gerader Linie vom Gleis 4 bis zum Gleis 22 gelangen konnte, ohne einem Mitmenschen nahe zu kommen. Auch wenn es mit kühlem Kopf wohl abesehbar gewesen wäre, konnte sich kaum jemand wirklich vorstellen, wie rasch die Schweiz zum nächsten Brennpunkt der Respekt einfordernden Erkrankungswelle werden würde.

Unterdessen haben hunderte wenn nicht tausende von freien Journalistinnen und Journalisten genauso wie auch andere Selbständige ihre Lebensgrundlage verloren. Einige erhalten Schadenersatz, aber manche der Freien Journalistinnen und Journalisten fallen durch die Lücken des Auffangnetzes. Darum arbeiten wir bei imressum intensiv daran, dass die Zeche gerecht verteilt wird, welche die Bekämpfung des Virus kostet – aber es ist noch ein langer Weg.

Bis dahin arbeiten unsere Zentralsekretärinnen und -sekretäre daran, Sie individuell zu beraten, wie Sie ihr Einkommen aufrechterhalten können. Doch auch bei uns gilt social distancing. Meist aus dem Homeoffice analysieren wir mit Ihnen Ihre Situation. Physisch auf dem Zentralsekretariat arbeiten meist nur unsere Sachbearbeiterinnen – möglichst allein oder distanziert und halten damit den Betrieb am Laufen. Immerhin: Die Telefonpräsenz für Ihre Fragen funktioniert ohne Unterbruch weiter.

Und als wären finanzielle Probleme nicht genug, werden Journalistinnen und Journalisten auch noch durch Behörden an ihrer Arbeit gehindert. Oder die Kurzarbeit verbietet es ihnen, zu arbeiten. Sollten sie nicht gerade jetzt der Bevölkerung die Ursachen, die Konsequenzen der Epidemie erklären und die Möglichkeiten der Rückkehr zur Normalität skizzieren?

Zurück zu Ihnen: Wie leben und erleben Sie die Corona-Zeit? Wie sind Sie von der Situation betroffen? Gehen Sie trotz Kinderbetreuungspflichten auf Reportage oder machen Sie mit Kindergeschrei im Hintergrund Home Office? Versuchen Sie, das Geschehen für die Geschichte zu dokumentieren, auch wenn Sie als Freier keine Aufträge haben?

Jetzt sind Sie dran…!